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Pendeln mit dem Pannenpass

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Ohne funktionierendes Lesegerät ein nutzloses Stück Plastik.

Ohne funktionierendes Lesegerät ein nutzloses Stück Plastik.

Ich hab jetzt auch so einen Swiss Pass von den SBB. Und zu Beginn war ich mir ja nicht so sicher. Wegen dieser ganzen Datensammlung und so. Meine eher paranoiden Freunde meinten, die SBB würden nun immer wissen, wann ich wo war. Was die ja nicht wirklich etwas angeht, wie der Schweizer Datenschützer ja auch findet. (Offenbar müssen sie bald die Daten wieder löschen.)

Also war ich die ersten paar Tage etwas besorgt, weil die SBB nun speichern könnten, wann ich mit welchem Zug von Hinterpfupfikon nach Oberpfupfikon gereist bin. Ich bin dann diese Woche auch dreimal in eine Kontrolle geraten. Ziemlich häufig, wenn man bedenkt, dass ich sonst alle paar Monate kontrolliert werde. Offenbar wollen die SBB so schnell wie möglich noch Daten erheben, sagt der Verschwörungstheoretiker in mir.

Aber überraschenderweise haben mir die Kontrollen aufgezeigt, dass die Sammelwut der Bundesbahnen völlig ungefährlich ist. Ich weiss ja nicht, wer denen die Technologie verkauft hat, aber bei den drei Versuchen hat das Gerät zum Auslesen des Chips zweimal nicht funktioniert. Also einmal wollte das Gerät gar nicht erst aufstarten, beim zweiten Mal konnte es die Information nicht aus meiner Karte lesen. Ich hab das früher schon bei Kontrollen bei anderen Passagieren gesehen. Bei der letzten Kontrolle konnte dann das Gerät meine Daten auslesen, sperrte sich aber bei zwei anderen Fahrgästen. Also: Keine Angst, die SBB kriegt gar nicht so viele Daten, wie sie gerne hätte.

Für die Kontrolleure ist das ziemlich blöd. Denn auf dem Pass ist keine von Auge sichtbare Information. Das heisst, entweder glauben sie dem Fahrgast, dass in dem Pass das drinsteckt, was der behauptet, oder aber sie müssen ihm eine Busse geben. Was doof ist, wenn dann der Pass wirklich gültig ist – und die Busse so zu einem eher ungnädigen Kundenfeedback führen würde. Also gehen die SBB-Mitarbeiter etwas peinlich berührt und ohne weitere Aktion zum nächsten Passagier und fluchen leise über ihre neuen, edel designten Geräte.

Wie häufig das schweizweit vorkommt, weiss ich natürlich nicht. Ich kenn mich aber ein bisschen in Unternehmenskultur und Psychologie aus. Wenn neue Technologie eingeführt wird, die laut Unternehmen tausendmal geprüft und für funktional befunden wurde, wird sich der Mitarbeiter hüten, zu viele Pannen zu melden. Unternehmen haben dann nämlich die Angewohnheit, das Problem im Mitarbeiter und nicht in der teuren, neuen, geilen Technik zu sehen. Und sollte das Unternehmen wirklich Angaben über das Versagen ihrer neuen Spielzeuge haben, werden die Verantwortlichen die so lange wie möglich unter Verschluss halten.

Aber grundsätzlich müsste man sich sowieso fragen, welche Beraterfirma die SBB mit der Empfehlung zu dieser Technologie über den Tisch gezogen hat. Nur so: Eine Kontrolle mit dem Gerät, selbst wenn es funktioniert, dauert pro Person sicher 30 Sekunden. Die einfache Sichtkontrolle dauert drei Sekunden. Wer immer der SBB-Leitung diesen Pass als Prozess-Improvement verscherbelt hat, sollte einen Preis im Bereich Akquise & Sales bekommen.

PS: Daten, die nicht vollständig sind, sind unbrauchbar, weil sie nicht das abbilden, was man eigentlich wissen will.

Der Beitrag Pendeln mit dem Pannenpass erschien zuerst auf Stadtblog.


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